Ich möchte vorab zwei grundsätzliche Bemerkungen machen:

  1. Wir leben in einem Rechtsstaat. Wer mit harten Drogen dealt, andere Menschen bedroht, beraubt oder körperlich angreift, muss dafür ohne Ansehen von Nationalität oder Herkunft zur Rechenschaft gezogen werden.
  2. Drogen verkaufen im Park ist kein schöner Beruf. Niemand setzt sich dies freiwillig als Lebensziel. Der Weg dorthin hat immer auch gesellschaftliche und sozialpolitische Ursachen.

Die Wiedereröffnung des Ostteils des Kleinen Tiergartens in Moabit im Mai dieses Jahres war nach Monaten seiner Umgestaltung mit vielen positiven Erwartungen an die Nutzung durch die Moabiter Bürger*innnen verbunden. Eine kleine grüne Oase für Jung und Alt sollte er sein, ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen und sich entspannen können.

Die jüngsten Meldungen in der Presse zeichnen, abgesehen vom jüngst eröffneten östlichen Teil mit Spielplatz und Rolleracht, mitunter ein anderes Bild. Der Park wird immer wieder von aggressiven Drogenhändlern in Beschlag genommen. Angeblich trauen sich manche Moabiter*innen schon gar nicht mehr hinein. Es gab mehrere Vorfälle, bei denen Dealer mit Messerattacken auf Menschen losgingen, die keine Drogen kaufen wollten. Passanten wurden beraubt. Zu Beginn des Jahres sorgte eine Massenschlägerei mit 30 bis 40 Personen für Aufsehen, bei der die Kontrahenten mit Schlagwerkzeugen, Messern, Steinen und Flaschen aufeinander losgingen. Diese Zustände sind unhaltbar, auch wenn man an die Kriminalitätsstatistik der Polizei, vor allem in Hinblick auf die Vergleichbarkeit mit dem Vorjahr, denn der Ostteil des Parks war seit Januar letzten Jahres zeitweise komplett gesperrt, Fragen stellen muss.

Das Ganze gewinnt noch an Brisanz, da es sich bei den Dealern auch um junge Asylbewerber handelt, die teilweise gezielt am LAGeSo angeworben wurden. In Moabit haben sich leider längst Strukturen organisierter Kriminalität gebildet, deren Anfänge meist in einem Ausschluss aus der Arbeitswelt liegen. Dies öffnet rechtspopulistischen Parolen natürlich fatalerweise Tür und Tor.

So richtig es ist, dass es sich hier häufig um Menschen handelt, die aufgrund der mehrfach verschärften Asylgesetzgebung in Deutschland in vielen Fällen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können, und so richtig es ist, dass dauerhafte Frustration zu Aggression und Verrohung führt, kann dies dennoch nicht als Entschuldigung für den Einzelnen gelten.

Es gibt eben genug andere Menschen in durchaus vergleichbarer Situation, die sich trotz drückender finanzieller Probleme ihren moralischen Kompass bewahrt haben, die sich nicht für den Weg in die Kriminalität entschieden haben, die nicht durch den Verkauf von Drogen das Elend anderer Menschen befördern. In einer solidarischen Wertegemeinschaft gilt es, den Spagat zu meistern zwischen der Erkenntnis schlimmer Notlagen von Menschen, die zu ändern politisches Handeln erfordert, und der klaren Haltung gegenüber jener aus der Not geborenen Kriminalität, die zu Lasten der Allgemeinheit geht. Nur wenn beide Perspektiven berücksichtigt werden, kann dauerhafter sozialer Frieden entstehen.

Im Falle der Dealer muss dringend gehandelt werden. Ich fordere von den zuständigen Politiker*innen nicht nur, dass der Kleine Tiergarten durch geeignete polizeiliche Maßnahmen wieder zu einem sicheren Ort für alle wird – und dies bei Tag und bei Nacht – die dort Erholung suchen oder auch nur den Park durchqueren wollen, sondern auch die konsequente Bekämpfung organisierter Kriminalität, die die prekäre Situation von Menschen schändlich ausnutzt.

Zugleich ist es aber ebenso dringend notwendig, den geflüchteten Menschen eine Perspektive – vor allem Arbeit und Wohnraum – zu bieten, die ihrem Leben hier Sinn und Halt gibt und sie vom Drogenhandel und anderen kriminellen Aktivitäten fernhält.

Eine pauschale Etikettierung des Kleinen Tiergartens als neuer Brennpunkt der Kriminalität aber hilft niemandem und ändert an den Zuständen gar nichts.

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